Camino-Tagebuch: Sechster Tag - 5.8.2006
Etappe San Pedro de Rozados - Salamanca (24 km)
* Diesmal tatsächlich um 6:00 früh aufgestanden, nicht aufgrund eigener Disziplin, sondern weil alle anderen Pilger auch aufgestanden sind & eine ziemliche Gaudi veranstaltet haben. Hatten ein nettes Zimmerl mit 2 Spaniern und einem sehr netten Portugiesen, Manuel. Er spricht so ein herziges protugiesisches Spanisch, dass ich ihn zuerst für einen Deutschen gehalten hab. Er sagt sogar für Wäsche "la hopa" (ropa), genau wie Ivani, eine brasilianische Bekanntschaft vom Camino Francès. Manuel schaute etwas verwundert, als ich ihn fragte, wieviel Zeit er für den Camino habe: Soviel bis er ankommt. Herrlich, er geht die komplette Via seit Sevilla (das liegt 500 km hinter uns), bis Santiago (das liegt 500 km vor uns) in einem Stück. Zeit ist Nebensache. Entsprechend gschmeidig ist sein Tempo. Hab ihn paar km hinter San Pedro eingeholt, wo er gemütlich mit seinem Pilgerfreund Gennaro spazierte.
* Ich gehe ja immerhin auch die komplette Via (1000km plus 100 km nach Finisterre), aber ich hatte zwischen der ersten und der zweiten Hälfte 2 Jahre Pause: Ein Jahr studierte ich in San Diego, und das Jahr darauf verzichtete ich aufs jährliche Pilgern zugunsten von einem Urlaub nach Danis Geschmack. Das war echt ein schweres Opfer: Mein Rucksack war die ganze Zeit caminobereit gepackt!
* Es gibt wohl sowas ähnliches wie "Runner's High" beim Pilgern, das heißt wohl "Pilgrim's High": Da läßt man die Füße von selber laufen, alles rollt wie auf Schienen, so dass man echt nicht mal mehr anhält, um auszutreten oder ein Foto zu machen, weil das die Hochstimmung kaputt machen würde. Allerdings hab ich so einen echten Schwebezustand nur einmal erlebt: Das war 2005, als ich von Wien nach Bratislava (70 km) in 2 Tagen gejoggt bin. Typische Ersatzhandlung, wenn ich mal ein Jahr lang nicht auf den Camino kann!
* Unten in der Ebene sehe ich mein heutiges Ziel: Salamanca!! Leider ist es immer noch 10 km entfernt. Diese Landschaft ist so trügerisch wie die ebenso flache zentralspanische Meseta: man sieht das ersehnte Ziel stundenlang vor sich und glaubt nicht voran zu kommen. Die Landschaft ist auch genauso schön & einsam wie die Meseta. Ein Traum!
* Im Islam haben Mekkapilger offenbar den gleichen Ehrenstatus wie ihn die Mittelalterlichen Jakobspilger hatten: Dort darf sich einer, der nach Mekka "gehatscht" ist, "Haji" nennen (sprich: "Haatschi"). ;-) im heutigen Spanien ist es sogar eine offenkundige karrierefördernde Maßnahme, wenn man die Urkunde Compostela vorweisen kann. Bevorzugte Behandlung, zB bei der Vermittlung eines Auslandsstudiums, inklusive. Das erklärt die Schwärme von span. Pilgern, die sich exakt 100 km vor Santiago absetzen lassen, um von dort zum Apostel zu pilgern und die Compostela einzustreifen. 100 km, die Mindestdistanz. Eine eigentlich recht fade Gschicht' von 3 Tagen.
* Gerade in Salamanca angekommen. Wirkt wie Rom aus dem Film "Gladiator" - Herrlich rausgeputzte uralte Gebäude, alles pieksauber, sogar der Himmel perfekt azurblau. :-) sehr, sehr gepflegt. Außer im Zentrum kaum Touristenmassen. Die Kathedrale ist gigantisch, es gibt eine "Alte" (romanische) und eine "Neue" (gotische). Kein Witz, die heißen wirklich so! :-)
* Alter! Das ist die heftigste Herberge der Stadt, wo ich da gelandet bin. Egal. Ich will nur keine schnarchenden Pilger mehr neben oder über mir im Stockbett haben. € 12 sind schon knackig für 6 qm ohne Fenster, wenn der Hospitalero auch noch ziemlich nach Alk stinkt. Salamanca scheint leider ausgebucht zu sein an diesem Wochenende. Naja egal, ich werd ich eh die meiste Zeit in der Stadt rumtreiben, essen, internetten, Zeitung lesen, Sightseeing...
Leider hatte die offizielle Pilgerherberge grade zu, sonst hätt ich mir dort zuerst die Zimmer mal angeschaut. Scheint so, als hätt ich einen Fehler gemacht, diese fensterlose Gefängniszelle zu nehmen. :-( Mein Geheimtipp für alle, die ich doof finde: Pension Feli, Tel. +34686040837 Rua Libreros 58
* Typisches Pilgerschicksal: Komme in eine der schönsten Städte Spaniens & bin mit lauter profanem zeug so beschäftigt, dass ich kaum was von der Stadt sehe: Brauche neue Schuhe, endlich eine Zeitung, Internetcafe etc etc.. - und endlich mal wieder was nichtspanisches zu essen... (Burger King rettet mich vorm Tapas-Overkill!)
* Mission accomplished! Mit einigem Durchfragen hab ich ein passendes Sportgeschäft mit kompetenten Verkäufern gefunden, die mir einen ziemlich cheffigen Salomon Trekkingschuh verkauft haben. Fühlen sich an wie Skischuhe und schauen auch aus wie Carver. Haben leider kaum Luftdurchlässigkeit, aber da muss ich wohl durch. Meine alten nehm ich solange mit, bis ich die neuen am Camino ausgiebig testen konnte. Das Verliererpaar wird auf der nächsten Poststation nach Santiago (postlagernd: "lista de correos") geschickt!
* Spanien ist eine isolierte Insel der Seligen: Versuche zum Spaß mal, irgendeine (ich wiederhole: IRGENDeine) ausländische Zeitung aufzutreiben - viel Spaß, chancenlos. Fand tatsächlich ein modernes Geschäft namens "Read & Smoke" im Einkaufzentrum, welches die gesamte Palette der spanischen Presse anzubieten hatte, aber auch nicht ein einziges (!) nichtspanisches Blatt. Hier gibts doch so viele ausländische Studenten?!?
* Die Schonzeit, also meine Eingewöhnungswoche mit reduzierten Kilometerzahlen ist übermorgen vorbei: Die nächste Etappe hat knisternd-knackige 36 km! Danach, wenn ich's schaff, weitere 33 km, und ich bin in Zamora. Meinen day off in Salamanca hätte ich dann wieder reingeholt.
* Heut bin ich an mehreren span. Hochzeiten vorbeigelaufen, was immer ein optisches Schmankerl ist: Soviele fesche, gepflegte Leute auf einen Haufen sieht man selten. Meistens sind die Gäste derart fesch rausgeputzt, dass die Braut ein bisserl - sagen wir mal - optisch untergeht. Entsprechend indigniert haben die Bräute auch dreingeschaut.
* Pilgerglück: weil irgendein anderer Gast storniert hat, hab ich ein größeres Zimmer gekriegt, sogar mit Frischluftzufuhr. Dafür ist vor dem Haus original spanisches Live-Halligalli & Straßenfeten-Alarm, aber das ist mir lieber als lebendig im "Café Viereck" eingemauert zu sein.
* So, jetzt geht's erstmal ins Nachtleben von Salamanca (-> Pilgerdisco?) - bis später!
* Komisch, auf der abendlichen Plaza Mayor von Salamaca scheinen Pilger gar nicht so 100% angesagt zu sein. Liegt doch hoffentlich nicht an meinen Funktionsfaserklamotten, der 3-mm-Frisur und den Flipflops? ;-)
* Mir kommt es schon jetzt nach 6 Tagen Gehen extrem ungewöhnlich vor, dass ich morgen NICHT hatschen werde (sondern sightseeing). Wie schnell man sich an den Camino-Rhythmus gewöhnt. Auch die tägliche Handwäsche von Socken, Hose und Hemd ist mir schon ins Blut übergegangen, egal wie müde ich bin. (Wird Dani freuen, das zu lesen...)
* So, das war mein Report für heute. Eine Cervezita sollte sich noch ausgehen, dann werd ich's gut sein lassen. Euch allen treuen 6 Mrd. Lesern eine gute Nacht.
Chris
* Diesmal tatsächlich um 6:00 früh aufgestanden, nicht aufgrund eigener Disziplin, sondern weil alle anderen Pilger auch aufgestanden sind & eine ziemliche Gaudi veranstaltet haben. Hatten ein nettes Zimmerl mit 2 Spaniern und einem sehr netten Portugiesen, Manuel. Er spricht so ein herziges protugiesisches Spanisch, dass ich ihn zuerst für einen Deutschen gehalten hab. Er sagt sogar für Wäsche "la hopa" (ropa), genau wie Ivani, eine brasilianische Bekanntschaft vom Camino Francès. Manuel schaute etwas verwundert, als ich ihn fragte, wieviel Zeit er für den Camino habe: Soviel bis er ankommt. Herrlich, er geht die komplette Via seit Sevilla (das liegt 500 km hinter uns), bis Santiago (das liegt 500 km vor uns) in einem Stück. Zeit ist Nebensache. Entsprechend gschmeidig ist sein Tempo. Hab ihn paar km hinter San Pedro eingeholt, wo er gemütlich mit seinem Pilgerfreund Gennaro spazierte.
* Ich gehe ja immerhin auch die komplette Via (1000km plus 100 km nach Finisterre), aber ich hatte zwischen der ersten und der zweiten Hälfte 2 Jahre Pause: Ein Jahr studierte ich in San Diego, und das Jahr darauf verzichtete ich aufs jährliche Pilgern zugunsten von einem Urlaub nach Danis Geschmack. Das war echt ein schweres Opfer: Mein Rucksack war die ganze Zeit caminobereit gepackt!
* Es gibt wohl sowas ähnliches wie "Runner's High" beim Pilgern, das heißt wohl "Pilgrim's High": Da läßt man die Füße von selber laufen, alles rollt wie auf Schienen, so dass man echt nicht mal mehr anhält, um auszutreten oder ein Foto zu machen, weil das die Hochstimmung kaputt machen würde. Allerdings hab ich so einen echten Schwebezustand nur einmal erlebt: Das war 2005, als ich von Wien nach Bratislava (70 km) in 2 Tagen gejoggt bin. Typische Ersatzhandlung, wenn ich mal ein Jahr lang nicht auf den Camino kann!
* Unten in der Ebene sehe ich mein heutiges Ziel: Salamanca!! Leider ist es immer noch 10 km entfernt. Diese Landschaft ist so trügerisch wie die ebenso flache zentralspanische Meseta: man sieht das ersehnte Ziel stundenlang vor sich und glaubt nicht voran zu kommen. Die Landschaft ist auch genauso schön & einsam wie die Meseta. Ein Traum!
* Im Islam haben Mekkapilger offenbar den gleichen Ehrenstatus wie ihn die Mittelalterlichen Jakobspilger hatten: Dort darf sich einer, der nach Mekka "gehatscht" ist, "Haji" nennen (sprich: "Haatschi"). ;-) im heutigen Spanien ist es sogar eine offenkundige karrierefördernde Maßnahme, wenn man die Urkunde Compostela vorweisen kann. Bevorzugte Behandlung, zB bei der Vermittlung eines Auslandsstudiums, inklusive. Das erklärt die Schwärme von span. Pilgern, die sich exakt 100 km vor Santiago absetzen lassen, um von dort zum Apostel zu pilgern und die Compostela einzustreifen. 100 km, die Mindestdistanz. Eine eigentlich recht fade Gschicht' von 3 Tagen.
* Gerade in Salamanca angekommen. Wirkt wie Rom aus dem Film "Gladiator" - Herrlich rausgeputzte uralte Gebäude, alles pieksauber, sogar der Himmel perfekt azurblau. :-) sehr, sehr gepflegt. Außer im Zentrum kaum Touristenmassen. Die Kathedrale ist gigantisch, es gibt eine "Alte" (romanische) und eine "Neue" (gotische). Kein Witz, die heißen wirklich so! :-)
* Alter! Das ist die heftigste Herberge der Stadt, wo ich da gelandet bin. Egal. Ich will nur keine schnarchenden Pilger mehr neben oder über mir im Stockbett haben. € 12 sind schon knackig für 6 qm ohne Fenster, wenn der Hospitalero auch noch ziemlich nach Alk stinkt. Salamanca scheint leider ausgebucht zu sein an diesem Wochenende. Naja egal, ich werd ich eh die meiste Zeit in der Stadt rumtreiben, essen, internetten, Zeitung lesen, Sightseeing...
Leider hatte die offizielle Pilgerherberge grade zu, sonst hätt ich mir dort zuerst die Zimmer mal angeschaut. Scheint so, als hätt ich einen Fehler gemacht, diese fensterlose Gefängniszelle zu nehmen. :-( Mein Geheimtipp für alle, die ich doof finde: Pension Feli, Tel. +34686040837 Rua Libreros 58
* Typisches Pilgerschicksal: Komme in eine der schönsten Städte Spaniens & bin mit lauter profanem zeug so beschäftigt, dass ich kaum was von der Stadt sehe: Brauche neue Schuhe, endlich eine Zeitung, Internetcafe etc etc.. - und endlich mal wieder was nichtspanisches zu essen... (Burger King rettet mich vorm Tapas-Overkill!)
* Mission accomplished! Mit einigem Durchfragen hab ich ein passendes Sportgeschäft mit kompetenten Verkäufern gefunden, die mir einen ziemlich cheffigen Salomon Trekkingschuh verkauft haben. Fühlen sich an wie Skischuhe und schauen auch aus wie Carver. Haben leider kaum Luftdurchlässigkeit, aber da muss ich wohl durch. Meine alten nehm ich solange mit, bis ich die neuen am Camino ausgiebig testen konnte. Das Verliererpaar wird auf der nächsten Poststation nach Santiago (postlagernd: "lista de correos") geschickt!
* Spanien ist eine isolierte Insel der Seligen: Versuche zum Spaß mal, irgendeine (ich wiederhole: IRGENDeine) ausländische Zeitung aufzutreiben - viel Spaß, chancenlos. Fand tatsächlich ein modernes Geschäft namens "Read & Smoke" im Einkaufzentrum, welches die gesamte Palette der spanischen Presse anzubieten hatte, aber auch nicht ein einziges (!) nichtspanisches Blatt. Hier gibts doch so viele ausländische Studenten?!?
* Die Schonzeit, also meine Eingewöhnungswoche mit reduzierten Kilometerzahlen ist übermorgen vorbei: Die nächste Etappe hat knisternd-knackige 36 km! Danach, wenn ich's schaff, weitere 33 km, und ich bin in Zamora. Meinen day off in Salamanca hätte ich dann wieder reingeholt.
* Heut bin ich an mehreren span. Hochzeiten vorbeigelaufen, was immer ein optisches Schmankerl ist: Soviele fesche, gepflegte Leute auf einen Haufen sieht man selten. Meistens sind die Gäste derart fesch rausgeputzt, dass die Braut ein bisserl - sagen wir mal - optisch untergeht. Entsprechend indigniert haben die Bräute auch dreingeschaut.
* Pilgerglück: weil irgendein anderer Gast storniert hat, hab ich ein größeres Zimmer gekriegt, sogar mit Frischluftzufuhr. Dafür ist vor dem Haus original spanisches Live-Halligalli & Straßenfeten-Alarm, aber das ist mir lieber als lebendig im "Café Viereck" eingemauert zu sein.
* So, jetzt geht's erstmal ins Nachtleben von Salamanca (-> Pilgerdisco?) - bis später!
* Komisch, auf der abendlichen Plaza Mayor von Salamaca scheinen Pilger gar nicht so 100% angesagt zu sein. Liegt doch hoffentlich nicht an meinen Funktionsfaserklamotten, der 3-mm-Frisur und den Flipflops? ;-)
* Mir kommt es schon jetzt nach 6 Tagen Gehen extrem ungewöhnlich vor, dass ich morgen NICHT hatschen werde (sondern sightseeing). Wie schnell man sich an den Camino-Rhythmus gewöhnt. Auch die tägliche Handwäsche von Socken, Hose und Hemd ist mir schon ins Blut übergegangen, egal wie müde ich bin. (Wird Dani freuen, das zu lesen...)
* So, das war mein Report für heute. Eine Cervezita sollte sich noch ausgehen, dann werd ich's gut sein lassen. Euch allen treuen 6 Mrd. Lesern eine gute Nacht.
Chris
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