Via De La Plata 2006

Tagebuch meines Jakobsweges auf der "Via de la Plata", dem 1000 km langen Pilgerweg von Sevilla nach Santiago. Dieses Jahr stand die 2. Hälfte an, von Grimaldo/Plasencia nach Santiago de Compostela, und noch 130 km weiter nach Finisterre und Muxia, zum "Ende der Welt" am Atlantik.

Monday, August 07, 2006

Camino-Tagebuch: Siebter Tag - 6.8.2006

Extratag in Salamanca

* Ich beginne den Tag mit meinem tief verehrten Thoreau. Als Begründung für seine Besitzlosigkeit gab er an: "If I have to carry my load, I take care that it better be a light one." - Gilt gerade auch für Pilger. Ein Benutzer des Badezimmers im Hostal hat mir mein Duschgel geklaut, das ich dort vergessen hatte. Jetzt bin ich eigentlich froh drum, weil ich eh noch ein Flascherl Allzweck-Outdoor-Soap dabei hab. (Ist eine Todsünde in der Ultralight-Szene, wenn man für denselben Zweck mehr als ein Ding mitnimmt - idealerweise erfüllt ein Ding mehrere Zwecke) Erwische mich bei dem Gedanken, dass die mir eigentlich eh alles aus dem Hostalzimmer klauen könnten (Rucksack, Wäsche und den ganzen Krempel), und ich trotzdem noch weiterpilgern könnte, nur um einiges erleichtert.

* Oliver ist meine "Mission Control": Er gibt mir per Email durch, wie er das morgen zu durchquerende Terrain einschätzt. Hierzu zoomt er sich Satellitenaufnahmen von Google Earth am PC heran. Laut Mission Control muss der Fernaufklärungstrupp im Operationsgebiet "Südliches Bayrisch-Kastilien" morgen mit teilweise ungedecktem, jedoch einfach zu überquerenden Terrain rechnen, inklusive einer Flussüberquerung. Mein Operation Manual sieht jedoch keinen Fluß vor. Das muß vor Ort erkundet werden. Es geht wieder mal nichts über die "boots on the ground", die Augen und Ohren der Aufklärung ;-)

Truppentransporte von nicht identifizierten Buspilgern (?) sind laut Satellit ebenfalls zu erwarten. Ich mache mich auf einen spannenden Tag morgen gefaßt.

* Heute gehört der Tag ganz Salamanca! Das heißt im Klartext: erst mal eine nette Churreria finden, bevor der Sightseeing Streß losgeht. Over.

* Sightseeingspaß ist kein Spaß, wenn die ganze Stadt zur schönsten Zeit schlafen geht und alle Gebäude und Museen zu haben - oh heilige Siesta.

* Mit Moik telefoniert, der meine 4 Wochen Pilgern im Hochsommer ziemlich "krank" findet. Das kann nur gutes heißen- Ich hingegen finde alles unter 4 Wochen "zu unextrem". :-)

* Salamanca war ein Bollwerk der Reconquista, nachdem es von den Mauren zurückerobert wurde. Man stellt sich die Maurenbesetzung heutzutage gerne "so richtig nett" vor, Toleranz und blühende Wissenschaft überall. Wenn man mal den österreichischen Jakobsweg von der slowakischen Grenze bis Wien und weiter geht, dann sieht man ein anderes Bild: Niedergebrannte Klöster, wehrlose Mönche abgeschlachtet, die gesamte Bevölkerung einiger Orte ermordet (zB das Blutbad von Hainburg, die Auslöschung von Perchtoldsdorf, Massenvergewaltigungen...). Haben schon alle vergessen, dass türkische Eroberungsheere zweimal (!) innerhalb von 150 Jahren bis vor Wien vorgedrungen sind (1525 und 1683) und dabei ganze Landstriche verwüstet und entvölkert haben? Die abendländische Zivilisation stand vor Wien schon zweimal kurz vor ihrem Ende. Die vielgepriesene Toleranz der Eroberer ist ein politisch korrekter Mythos, denn nur Kollaborateure und Opportunisten kamen in den Genuß dieser Toleranz. Auf der anderen Seite - Ein mittelalterlicher islamischer Gelehrter hat einmal gesagt: die Religionen sind nur verschiedene Schleier vor dem Antlitz Gottes. Ist das schön gesagt?

* Das einzige Gebiet, das in Spanien erfolgreich den Arabern Widerstand geleistet hatte, war das tapfere Königreich Asturien. Dies war die Keimzelle der Rückeroberung (Schlacht von Covadonga unter Pelayo). In die unzugänglichen Berge Asturiens trauten sich die Araber nicht dauerhaft.

* Habe jetzt im Internet einige wichtige Infos zu meinem geplanten Weg von Santiago nach Finisterre gefunden. Die Etappen sehen so aus:

- Santiago - Negreira (Herberge): 24 km

- Negreira - Olveiroa (Herberge) über Sta. Comba: 42 km (auweia)

- Olveiroa - Fisterra (Herberge) über Cée: 31 km

Insgesamt also: 97 km!

* Von Salamanca bis Finisterre sind's daher 444 km (bis Santiago) + 97 km = 541 km. Dafür habe ich noch netto 21 Tage. Also muss ich pro Tag 25,8 km durchschnittlich hatschen. Na dann mal viel Spaß.

* Soeben war ich in der Kapelle Asunciòn des Ursulinerinnen-Klosters. Hab nicht gedacht, daß die so steil sind: komplett in Weiß und vollkommen verschleiert! Nur noch 4 Active waren in der Messe dabei. Es wirkt sehr, sehr ungewohnt in so einer lebenslustigen Stadt voller Touristen und Studenten.

* ein Höhepunkt: Die im 12. Jhd. Erbaute vollkommen runde Kirche San Pedro, die etwas an Eunate am Camino Francès erinnert. Die einzige vollkommen runde Kirche in Spanien.

* In der irischen Bar O'Hara's kriegt man als Pilger immer noch einen Extradrink, wenn man den 1. voll bezahlt. Man sollte aber mit dem älteren Padron sprechen, die jungen Kellnerinnen kennen den Brauch leider nicht. Und den Credencial dabeihaben!

* Dani wird mich wohl nicht besuchen können :-(

* So, jetzt hab i grad meine letzte Pizza für längere Zeit verdrückt, in der hervorragenden Trattoria A'Tarantella. Mmmmhh. Geh ins bett. Baba.

Chris

 

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