Via De La Plata 2006

Tagebuch meines Jakobsweges auf der "Via de la Plata", dem 1000 km langen Pilgerweg von Sevilla nach Santiago. Dieses Jahr stand die 2. Hälfte an, von Grimaldo/Plasencia nach Santiago de Compostela, und noch 130 km weiter nach Finisterre und Muxia, zum "Ende der Welt" am Atlantik.

Monday, August 07, 2006

Camino-Tagebuch: Achter Tag - 7.8.2006

Etappe Salamanca - El Cubo de la Tierra de Vino (36 km)

* Sitze in meinem Hostalzimmer, mache mich fertig zum Losmarschieren aus Salamanca. Ist 06:15. In 1 h geht die Sonne auf. Hab leider nur 5 h geschlafen, zu spät essen gewesen. :-( Hoffentlich rächt sich das nicht. Wäre genauso riskant gewesen, nix zu Abend zu essen, dann wär mir wohl erst recht die Kraft auf den 36 km ausgegangen.

* Rund um Santiago toben gerade die heftigen Waldbrände, eieiei. Stehe grad in Bar aufm Weg aus der Stadt und mampfe meine obligatorischen Churros con Chocolate zum Frühstück.

* Hab gerade auf Anraten eines freundlichen Señors eine "Abkürzung" genommen, die mich in wundervolle, stacheldrahtumgrenzte Rinderherden, in Klettengestrüpp, über Äcker und in pflanzenüberwucherte Bachläufe gebracht hat. Schönen Schrank. Jetzt erstmal Damage Report und Kletten entfernen, falls ich meine Socken unter den Kletten überhaupt noch finde. Falls ich den Señor einmal wiedertreffen sollte und er eine Herberge suchen sollte, das Hostal Feli in Salamanca wäre meine Empfehlung! ;-))

* Gehe schon seit über 1 h auf dem Seitenstreifen der Nationalstraße N-630. Ist nicht sehr romantisch. Gelegentlich hauen mich die Windböen der vorbeidonnernden Lastzüge fast von der Straße. Noch ca. 17 km bis Cubo. Ist trotz allem eine schöne Etappe im Grunde. Ich will auf keinen Fall mit dem Bus oder Taxi abkürzen. Es wird jeder der 540 km bis Santiago und darüber hinaus (ultreia!!) Gehatscht!

* Die neuen Trekking-Schuhe performen bislang richtig gut! Welch ein Segen, keine bösen Druckstellen mehr zu haben! Dafür schlepp ich während der Testphase die alten Schuihe noch im Rucksack mit. Wieder 1 kg extra.

* Komme grad am Gefängnis Carcel de Topas vorbei. Schaut aus wie ein Flughafen mit Tower.

* Endlich in Cubo angekommen, es ist heiß geworden, hatte kaum was gscheites mehr zu essen, das Wasser ist kurz vorher ausgegangen, die Füße schmerzen von den 36 km. Aber ich bin glücklich.

* Bin bei Mamacita Carmen untergekommen, private Pension. In der kirchlichen Herberge haben laut Aushang Obdachlose und Vagabunden Vorrang vor Pilgern. Das ist nobel und sehr sozial motiviert. Aber mir war die Idee dann doch eine Spur zu hart, mein gesamtes Gear im Schlafsaal mit den "Transeuntes" zu lassen. Bei Carmencita darf ich mir zumindest mein Essen aussuchen: Nudeln mit Tomatensauce! Gebt mir Kohlenhydrate! Zu einer Zeit, wo die Bars noch Siesta haben und wo es dort eh nur müde Bocadillos gäbe. Ein Traum!

* Hat sich herausgestellt, die Nudeln waren nur einer von drei Gängen. Dazu Salat, Brot, Schnitzel, Pommes, Pudding, Wein. Bin fix und fertig. Alter, die Spanier hauen rein! Das nächste (Abend)Essen heut abend wird besser durch Extraportion Schlaf ersetzt, sonst komm ich mit Schwimmreifen in Zamora an.

* Jetzt sitz ich - wieder mal - in einer der örtlichen Bars, trinke ein Bierchen und schaue den Latino-Musikkanal. Soviel geniale Musik gibt's in Spanien! Neuer Favorit: El Sueño de Morfeo. Muss unbedingt daheim schauen, ob ich einen passenden Intenet-Radiosender finde auf www.shoutcast.com oder www.pandora.com, bzw. über ClipInc. Damit hat man dann ein bissl Camino-Feeling daheim.

* Eine absolute (modern-gregorianische) Wahnsinnsmusik haben sie im Turmmuseum der Kathedrale v. Salamanca gespielt: Jan Garbarik - Officium por un Cuarteto. Wird sofort gekauft. Derzeit der Smash-Hit auf allen Kanälen: die Band "La caja de Pandora" mit "(...) bien de mi cara".

* Wie üblich schreien sich die spanischen Besucher der Bar an, um miteinander in Kommunikation zu treten. Wenn in einer deutschen Bar eine derartige Lautstärke herrschen würde, wären es nur noch Sekunden bis zu einer Saalschlacht. - Bin auch gespannt, wie lang ich brauchen werd, um mir den netten span. Brauch wieder abgewöhnen werde, allen möglichen Abfall einfach wortlos auf den Boden zu werfen.

* Hab grad einen Barbesucher mit dem wahrscheinlich kleinsten Bierglas der Welt gesehen, das war kein "Pfiff" mehr, das muß 0,1 l gewesen sein. Unglaublich, daß man so wenig physisch überhaupt trinken kann, ohne daß die Oberflächenspannung das Leeren des Glases verhindert :-) [ Ed.: Der wissenschaftliche Ausdruck für derart kleine Gemäße ist "Nano-Pipette.." ]



* Heut Abend ist Fiesta im Dorf. Weil ich mit meinen Pies dolorosas nicht als "Dancing Star" zum Gelingen des Festes beitragen kann, heißt das vor allem eines: ins Bett & auf Ohropax vertrauen!

Chris 

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