Via De La Plata 2006

Tagebuch meines Jakobsweges auf der "Via de la Plata", dem 1000 km langen Pilgerweg von Sevilla nach Santiago. Dieses Jahr stand die 2. Hälfte an, von Grimaldo/Plasencia nach Santiago de Compostela, und noch 130 km weiter nach Finisterre und Muxia, zum "Ende der Welt" am Atlantik.

Thursday, August 17, 2006

Camino-Tagebuch: Achtzehnter Tag - 17.8.2006


Etappe Laza - Xunqueira de Ambia (34 km)

* Ui ja, hätt ich fast vergessen zu erwähnen, natürlich regnet es immer noch. Heftig zum Teil. Kalt isses auch. Und bergig. Aber was soll das Jammern. Das Pilgern braucht auch seine Schattenseiten. Und motiviert bin ich eigentlich immer noch sehr. - "Go hard or go home!" - Gestern hat mich einer der Rad"pilger" darauf hingewiesen, daß es im Ort einen Bahnhof gibt, wo man wunderbar mit dem Zug bis Ourense fahren kann. - ich war fast empört über den Vorschlag. Ohne Witz, nichts lag mir in dem Moment ferner, als bei meinen Meilen zu mogeln. Nach Santiago wird steil und ehrenhaft jeder Zentimeter gehatscht, fertig. Wenn's Wetter Mist ist, so be it. Wo kommen wir denn da hin, wenn nur im Sonnenschein marschiert wird? Pah!! :-)

* Ebenfalls in der Herberge waren noch ein paar kräftige Herren mit T-Shirts wo stolz draufstand "Brigada Paracadaista": Spanische Fallschirmjäger, die hier mit Jeep & Nachtsichtgeräten unterwegs sind, um Brandherde aufzuspüren. Hab mich gleich als Kollegen von der vertikalen Zunft vorgestellt und einen netten kollegialen Plausch geführt.

* Sitze in der vielgepriesenen "Pilgerbar" Rincon del Peregrino. Jeder Pilger, der hier vorbeischaut, darf seinen Namen auf eine Jakobsmuschel schreiben, die an die Decke gehängt wird. Ehrlich gesagt: Wohl fühl ich mich trotzdem nicht. Der bärtige Padron hat nicht mal von seinem Teller aufgeschaut, als ich durch den strömenden Regen einchargiert bin, immerhin einer der höchstens 5 (!) Fußpilger, die heut vorbeikommen werden. Dafür, daß man als Fußpilger um diese Jahreszeit eigentlich eine kleinere Sensation darstellt, wird man vom Padron recht konsequent mit dem A**** angeschaut. Komisch. Immer wenn man sich auf - laut Pilgerführer - besonders freundliche Etablissements freut, wird man enttäuscht.

* Bin jetzt schon ca. 10 km weiter in einem weiteren Kaff, und hab grad die schlechtesten Spareribs meines Lebens hinter mir: Menu del Dìa! Gibt nix anderes. Aber hier zählen die Kalorien. Also her damit. Was gibt es schöneres als schlechte Spareribs zu essen und dabei von der Wirtin mit'm A**** angeschaut zu werden? :-)

* In meinen Trekkingschuhen schwappt das Wasser lustig hin und her, könnte mich damit auf den Lehrstuhl für Aquaristik bewerben. Auch auf meiner Schirmmütze tanzen vorne am Rand bei jedem Schritt ein paar lustige Wassertropfen von links nach rechts durch die Front, als gäbe es nix anderes auf der Welt. Wenn mich mein Freund Juan vor kurzem noch vor der großen span. August-Hitze gewarnt hat ("und immer viel Wasser trinken!"), so klingt das jetzt wie eine Persiflage. Allein durch meine Füße nehm ich so viel Wasser auf, daß ich nix mehr trinken müßte. In der Sauna würden meine Füße jetzt wohl pfeifen wie ein Teekessel...

* Gear-Report! Die "winning combination" war mein gestriger Mix aus T-Shirt und Softshell-Jacke sicher nicht. Ebensowenig mein heutiger Versuch mit T-Shirt, Softshell-Jacke und drüber ein einkaufssackerlartiges Regen-Cape. Darunter schwitzt man mehr als man Regen von außen draufkriegt. Das nächste mal ist man ja immer schlauer - da wird eine waschechte Goretex-Kombi angeschafft. Pfeif auf den Softshell-Müll, echt. Ist so wasserfest wie ein Bogen Eßpapier!

* Endlich! Seit 1 h regnet es nicht!! Dafür geht ein herrlich frischer Wind, der hoffentlich meine hinten am Rucksack baumelnden Socken trocknen wird. Hab mich dafür entschieden, meinem beginneden "Trench Foot" dadurch zu helfen, daß ich die halbtrockenen Socken von gestern anzieh. Wirkt Wunder! Trenchfootfaktor gefallen von "Aquarium" auf "feucht". Wenn man schon so richtig derb geschrumpelte Waschweiberfüße hat (oder vielleicht treffender: Weinkelterer-Füße?), dann kommt es einem ständig so vor als hätte man kleine Steinderln zwischen Fuß und Sohle, was aber falscher Alarm ist, wie emsiges wiederholtes Ausschütteln zeigt.

* Jetzt geht's grad schön schnürlgrad auf einer fast schon wieder trockenen Schotterpiste dahin - ist fast eine Pilgerautobahn! Juche! Walk oooon!...Frischwärts laß uns ziehn! Seid umschlungen, Millionen - ihr Millionen von Individualisten, die ihr Euch grad auf dem Camino Francès gegenseitig auf die Füße latscht und um die Betten prügelt! ;-)

* Mission Status: 114 km noch bis Santiago, also insgesamt noch 211 km bis zum Ende der Welt! Habe noch 10 Hatsch-Tage, d.h. Es reicht, wenn ich jeden Tag mickrig-stinkige 21,1 km hatsche. Mein Plan, von Fisterra weiter nördlich bis Muxia zu hatschen, also von einem Ende der Welt gleich zum nächsten, sollte sich wunderbar ausgehen.

* Sitze jetzt noch bei ein paar cervecitas mit den beiden Javieres. Haben wieder mal Witze erzähle ohne Ende. Habe Spaghetti àl Chris gekocht, jetzt brauch ich echt gar nix mehr, bin randvoll mit Kohlenhydraten. Die Füß tun ordentlich weh, weil sie den ganzen Tag im Wasser gestanden sind und jetzt tiefe Furchen und Abriebstellen haben. Hab jetzt in der ersten Apotheke am ganzen Camino endlich Silicon-Einlagen gefunden für den ganzen Fuß. Sowas rettet den gesamten Camino. Dann war ich noch in der Messe in Xunqueira, mit einer Bayerin vom Chiemsee, die hier auch in der Herberge ist, zusammen mit einer Freundin: Agnes & Christine. Endlich wieder Heimatidiom sprechen, welche Wohltat! Beide habe "schon von mir gehört", und ich auch von ihnen. Es spricht sich schnell rum am Camino, wenn 2 aus der gleichen Region unterwegs sind. Man kennt immer die "Celebrities" 3 Tagesmärsche vor oder hinter einem, aus Gästebüchern oder von Geschichten von anderen Pilgern. ZB. Kennt hier jeder den purtugiesischen Manuel und den katalanischen Manel.

* Die Kirche von Xunqueira ist wunderschön romanisch, herrlich schlicht. Mit einem traumhaften Kreuzgang, in dem sie mich beinah eingesperrt hätten.

* Für alle echten Freaks, die gerne mal in älteren Folgen meines Blogs nachschmökern wollen oder die Adresse vergessen haben:

http://via-de-la-plata-2006.blogspot.com/

Chris

0 Comments:

Post a Comment

<< Home