Camino-Tagebuch: Vierzehnter Tag - 13.8.2006
Etappe Rionegro del Puente - Puebla de Sanabria (41,5 km)
* Bin jetzt tatsächlich schon ganze 2 Wochen am Hatschen - und fühl mich auch ziemlich so.
* Info für alle Camino-Sanabrès-Interessenten: Wichtigste Kontaktperson für die Rionegro-Herberge ist die extrem nette & hilfreiche Doña Emilia von der Tienda gegenüber. Sie gehört auch der Cofradìa an. (Tel. +34980652004).
* In einem Informationsbüchlein über die Stadtgeschichte steht hier, dass einzelne Spuren der Vorläuferbewegungen der örtlichen Cofradìa auf Ursprünge im 7. bzw. 10. Jahrhundert (!!!!) hindeuten. Da werden selbst die ältesten Studentenverbindungen blaß vor Neid!
* Info für alle Camino-Sanabrès-Interessenten: Folgende Herbergen haben in der Gegend neu aufgemacht (Entfernungsangaben jeweils von Rionegro aus):
- Rionegro del Puente
- Cernadilla (18 km)
- Asturianos (26 km)
- Palacios de Sanabria (Hostal, 29,5 km)
- Puebla de Sanabria (41,5 km)
* Ich werd mich also zwischen einer mittelweiten (30 km) und einer echten Sado-Etappe (41,5 km) entscheiden müssen....
* So, jetzt muss ich endlich mein Zeug zammräumen und aus dieser paradiesischen Herberge ausziehen, was echt schwerfällt. Ultreia!
* Die kleinen Freuden des kleinen Pilgers: Seit 14 Tagen lauf ich zum erstenmal mit einer Komplettladung maschinengewaschener Wäsche rum!! Die duftet richtig! Wenn man die übliche abendliche Handwäsche macht, dann bleibt immer ein Muff- und Dreckschleier drauf. Aber dank der Cofradìa de los Falifos (danke Euch Pilgerfreunden!) hab ich sogar mein Fango-gebatiktes T-Shirt wieder strahlend weiß gekriegt. (Um der Frage gleich vorzubeugen: Nein, mein Blog wird nicht von Waschmittelherstellern gesponsort.)
* Der Camino macht nicht nur fit, schlank und braun im Gesicht, er verjüngt auch: wurde unlängst auf 25 geschätzt, also eine Schmeichelei, die 8 Jahre wert ist. Ein deutscher Jurastudent hat mich vor 2 Tagen ganz brüderlich gefragt: "Was studierst DU eigentlich?"
* Grade auf offenem Feld zweimal mit sehr netten Locals gequatscht. Der eine hat auch einen Buben in der Cofradìa. Hab mich nicht getraut, das Zitat aus dem Film "Old School" zu bringen: "Cool! -- I heard they throw the sickest parties!!!"
* Gear-Report! Das absolute Nonplusultra für Landkarten zur Streckenplanung dürften die digitalisierten topographischen Karten sein, die einzelne Anbieter je nach Land auf CD-Rom anbieten (zB. Das Bayrische Landesvermessungsamt, National Geographic oder die Firma Topo). Jetzt der Clou: Auf diese digitalen Karten kann man am PC-Bildschirm seine Strecke eintragen, um sich dann eine detaillierte Umgebungskarte mit Höhenprofil und Kilometerangaben (!) auszudrucken. Idealerweise auf wasserfestem Papier wie dem "Adventure Paper" von Natl. Geographic: Absolute Luxusvariante!
* Kurzer Mission Debrief: Es sind ab Rionegro noch 287 km bis Santiago. Plus 97 bis Finisterre, also insgesamt 384 km! Geschafft hab ich schon 300 km, darauf bin ich ziemlich stolz. Keinen einzigen Meter abgekürzt oder mit dem Bus gefahren.
* A big shout goes out to Pilgerbruder Ulrich Altenhofen, der im Web den Tip veröffentlicht hatte, daß es in der Dorfbar von Cernadilla (zwischen Mombuey & Sanabria) sehr gute Hamburger gibt. Ich hab mir grad den 2. bestellt. Die Teile können wirklich was. Sowas hab ich echt vermißt. Wie gesagt, in Spanien leide ich sehr schnell am Tapa-Overkill.
* Bin grad in einem Kaff namens San Salvador de Palazuelo und wurde von einem Opi gefragt, wo ich herkomme. Als ich ihm gesagt hab, daß ich zu Fuß von Plasencia komm, hat er sich vor Schreck bekreuzigt. Dabei gehen hier seit 1000 Jahren die Pilger vorbei... :-)
* Gear-Report! Die erste Ermüdungserscheinung, die mein Mariposa-Rucksack zeigt, ist ein Riß auf der Außenseite des Hüftgurts. Dafür hat er lang durchgehalten. Glen, der Godfather of Ultralight, hatte vorhergesagt, daß ein Mariposa ca 1 Jakobsweg aushält, wenn man auf ihn aufpaßt. Zitat: "Can't throw it on the rocks." - Stimmt wohl.
* Hatte grade 30 min herrliche Siesta unter einem Baum, auf einem kühlen Marmorbankerl. Ein Traum! Außerhalb des Schattenbereichs heizt die Sonne schon recht forsch.
* 16:15: Hab soeben beschlossen, ich besorg's mir heut frontal: Bleibe nicht in dem Dorf mit dem malerischen Namen Palacio de Sanabria, sondern marschiere noch 12 km weiter bis nach Puebla de Sanabria. Das sind dann erstmals fast 42 km an einem Tag. Aber meine Füße schmerzen heut fast nicht, und der wohltuende Effekt der 30 min Siesta unter dem Baum wirkt noch nach. So richtig einladend haben die "Palacios" auch nicht ausgesehen: In der Bar waren fast nur grauenhafte Leute, so daß ich mein kleines Cervezita nicht mal ganz ausgetrunken habe, um schneller weiterzukommen. Nichts, aber auch gar nichts rief hier "bleib hier"! Nicht mal meine Füße, die nach mittlerweile 300 km durch das hochsommerliche Spanien eine ganz andere Sprache sprechen: " Gib es uns, hombre! Gib uns 10 Stunden täglich Steine und Dreck!"
* Von der smarten Weinbauernbevölkerung am Rio Tera ist hier nichts mehr zu sehen. Im Gegenteil: In den Bars stehen die altbekannten grimmigen "Privatdozenten", die lautstark endlose Schimpfkanonaden veranstalten und dabei wild mit den Armen fuchteln. Hat das Flair vom "Camino Primitivo".
* Soeben mitten im Wald eine uralte (mittelalterliche? römische?) Brücke überquert, die kurisoserweise nur von einem sehr rudimentären Feldweg überquert wird. Dieser Weg muß einmal recht bedeutend gewesen sein.
* Damage Report! Mitten im komplett verlassenen Dorfteil von Triufé steht zwischen zugewachsenen Häuserruinen (frag mich, warum es in Spanien soviele Wohnhausruinen gibt?) ein geschniegeltes neues Granithaus mit großem Garten, der Rasen millimeterkurz. Sogar die niedrige Steinmauer sieht aus wie jede Woche generalsaniert. Vor dem Haus, das sogar - wohl aus Hommage an die Nachbarhäuser - einen eingestürzten Anbau hat, sitzt die wohl einzige verbliebene Familie von Triufé beim Plausch. Ihr kleiner weißer Drecksköter kommt laut bellend angeschossen und läuft zu mir in Richtung auf eine Maueröffnung. Ich ziehe instinktiv meine Gossamergear-Ultraleichtstöcke, um dem Mistköter eine drüberzubraten, sollte er angreifen. Es hat sich bei Cerdos Ibericos, bei manchen Toros und Hunden bewährt, daß man laut die Stecken aufeinanderschlägt, und das Viech schleicht sich. Ich praktiziere diesen alten Trick - mit dem einzigen Ergebnis, daß einer der Stöcke abbricht!! :-( Am liebsten hätte ich mit dem Rumpfstecken gleich den Drecksköter erschlagen. Jetzt kann ich schauen, ob Gossamer Gear mir 1 einzelnen Stecken nach Santago schickt :-( Mist, verreckter!
* Die größten Waldbrände sollen angelblich im Bezirk Pontevedra in Galicien sein. Da komm i nur marginal hin. Sollen von bandenmäßig organisierten Brandstiftern gelegt worden sein. Wissen die überhaupt, was sie ihrem armen Land antun?! 4 Menschen sind schon umgekommen. Touristen fliehen in Scharen.
* Bin in Puebla angekommen, nach fast 42 km! Jetzt tun die Füße doch gscheit weh, aber verdient. Städtchen ist ursüß, reinstes Mittelalter. Auf einem schönen Berg gelegen. Ist grad so ein Mittelaltermarkt, deshalb ist die ganze Stadt voller Touris. Schlafe in einem ehemaligen Schwesterninternat. Ab 23:00 ist die Pforte dicht. Ist mir wurscht, ich geh eh früh in die Kiste.
* Der lustige Javier ist auch hier! Hat sogar einen Freund aus Madrid dabei, der ab hier mithatscht. Historiker. Dem kann ich angeblich Löcher in den Bauch fragen zur span. Geschichte. Wird ein lustiger Walk morgen. Und angeblich auch der schönste der gesamten Via. Bin gespannt. Sind 30 km morgen, über den Pass von A Canda. Gute Nacht!
Chris
* Bin jetzt tatsächlich schon ganze 2 Wochen am Hatschen - und fühl mich auch ziemlich so.
* Info für alle Camino-Sanabrès-Interessenten: Wichtigste Kontaktperson für die Rionegro-Herberge ist die extrem nette & hilfreiche Doña Emilia von der Tienda gegenüber. Sie gehört auch der Cofradìa an. (Tel. +34980652004).
* In einem Informationsbüchlein über die Stadtgeschichte steht hier, dass einzelne Spuren der Vorläuferbewegungen der örtlichen Cofradìa auf Ursprünge im 7. bzw. 10. Jahrhundert (!!!!) hindeuten. Da werden selbst die ältesten Studentenverbindungen blaß vor Neid!
* Info für alle Camino-Sanabrès-Interessenten: Folgende Herbergen haben in der Gegend neu aufgemacht (Entfernungsangaben jeweils von Rionegro aus):
- Rionegro del Puente
- Cernadilla (18 km)
- Asturianos (26 km)
- Palacios de Sanabria (Hostal, 29,5 km)
- Puebla de Sanabria (41,5 km)
* Ich werd mich also zwischen einer mittelweiten (30 km) und einer echten Sado-Etappe (41,5 km) entscheiden müssen....
* So, jetzt muss ich endlich mein Zeug zammräumen und aus dieser paradiesischen Herberge ausziehen, was echt schwerfällt. Ultreia!
* Die kleinen Freuden des kleinen Pilgers: Seit 14 Tagen lauf ich zum erstenmal mit einer Komplettladung maschinengewaschener Wäsche rum!! Die duftet richtig! Wenn man die übliche abendliche Handwäsche macht, dann bleibt immer ein Muff- und Dreckschleier drauf. Aber dank der Cofradìa de los Falifos (danke Euch Pilgerfreunden!) hab ich sogar mein Fango-gebatiktes T-Shirt wieder strahlend weiß gekriegt. (Um der Frage gleich vorzubeugen: Nein, mein Blog wird nicht von Waschmittelherstellern gesponsort.)
* Der Camino macht nicht nur fit, schlank und braun im Gesicht, er verjüngt auch: wurde unlängst auf 25 geschätzt, also eine Schmeichelei, die 8 Jahre wert ist. Ein deutscher Jurastudent hat mich vor 2 Tagen ganz brüderlich gefragt: "Was studierst DU eigentlich?"
* Grade auf offenem Feld zweimal mit sehr netten Locals gequatscht. Der eine hat auch einen Buben in der Cofradìa. Hab mich nicht getraut, das Zitat aus dem Film "Old School" zu bringen: "Cool! -- I heard they throw the sickest parties!!!"
* Gear-Report! Das absolute Nonplusultra für Landkarten zur Streckenplanung dürften die digitalisierten topographischen Karten sein, die einzelne Anbieter je nach Land auf CD-Rom anbieten (zB. Das Bayrische Landesvermessungsamt, National Geographic oder die Firma Topo). Jetzt der Clou: Auf diese digitalen Karten kann man am PC-Bildschirm seine Strecke eintragen, um sich dann eine detaillierte Umgebungskarte mit Höhenprofil und Kilometerangaben (!) auszudrucken. Idealerweise auf wasserfestem Papier wie dem "Adventure Paper" von Natl. Geographic: Absolute Luxusvariante!
* Kurzer Mission Debrief: Es sind ab Rionegro noch 287 km bis Santiago. Plus 97 bis Finisterre, also insgesamt 384 km! Geschafft hab ich schon 300 km, darauf bin ich ziemlich stolz. Keinen einzigen Meter abgekürzt oder mit dem Bus gefahren.
* A big shout goes out to Pilgerbruder Ulrich Altenhofen, der im Web den Tip veröffentlicht hatte, daß es in der Dorfbar von Cernadilla (zwischen Mombuey & Sanabria) sehr gute Hamburger gibt. Ich hab mir grad den 2. bestellt. Die Teile können wirklich was. Sowas hab ich echt vermißt. Wie gesagt, in Spanien leide ich sehr schnell am Tapa-Overkill.
* Bin grad in einem Kaff namens San Salvador de Palazuelo und wurde von einem Opi gefragt, wo ich herkomme. Als ich ihm gesagt hab, daß ich zu Fuß von Plasencia komm, hat er sich vor Schreck bekreuzigt. Dabei gehen hier seit 1000 Jahren die Pilger vorbei... :-)
* Gear-Report! Die erste Ermüdungserscheinung, die mein Mariposa-Rucksack zeigt, ist ein Riß auf der Außenseite des Hüftgurts. Dafür hat er lang durchgehalten. Glen, der Godfather of Ultralight, hatte vorhergesagt, daß ein Mariposa ca 1 Jakobsweg aushält, wenn man auf ihn aufpaßt. Zitat: "Can't throw it on the rocks." - Stimmt wohl.
* Hatte grade 30 min herrliche Siesta unter einem Baum, auf einem kühlen Marmorbankerl. Ein Traum! Außerhalb des Schattenbereichs heizt die Sonne schon recht forsch.
* 16:15: Hab soeben beschlossen, ich besorg's mir heut frontal: Bleibe nicht in dem Dorf mit dem malerischen Namen Palacio de Sanabria, sondern marschiere noch 12 km weiter bis nach Puebla de Sanabria. Das sind dann erstmals fast 42 km an einem Tag. Aber meine Füße schmerzen heut fast nicht, und der wohltuende Effekt der 30 min Siesta unter dem Baum wirkt noch nach. So richtig einladend haben die "Palacios" auch nicht ausgesehen: In der Bar waren fast nur grauenhafte Leute, so daß ich mein kleines Cervezita nicht mal ganz ausgetrunken habe, um schneller weiterzukommen. Nichts, aber auch gar nichts rief hier "bleib hier"! Nicht mal meine Füße, die nach mittlerweile 300 km durch das hochsommerliche Spanien eine ganz andere Sprache sprechen: " Gib es uns, hombre! Gib uns 10 Stunden täglich Steine und Dreck!"
* Von der smarten Weinbauernbevölkerung am Rio Tera ist hier nichts mehr zu sehen. Im Gegenteil: In den Bars stehen die altbekannten grimmigen "Privatdozenten", die lautstark endlose Schimpfkanonaden veranstalten und dabei wild mit den Armen fuchteln. Hat das Flair vom "Camino Primitivo".
* Soeben mitten im Wald eine uralte (mittelalterliche? römische?) Brücke überquert, die kurisoserweise nur von einem sehr rudimentären Feldweg überquert wird. Dieser Weg muß einmal recht bedeutend gewesen sein.
* Damage Report! Mitten im komplett verlassenen Dorfteil von Triufé steht zwischen zugewachsenen Häuserruinen (frag mich, warum es in Spanien soviele Wohnhausruinen gibt?) ein geschniegeltes neues Granithaus mit großem Garten, der Rasen millimeterkurz. Sogar die niedrige Steinmauer sieht aus wie jede Woche generalsaniert. Vor dem Haus, das sogar - wohl aus Hommage an die Nachbarhäuser - einen eingestürzten Anbau hat, sitzt die wohl einzige verbliebene Familie von Triufé beim Plausch. Ihr kleiner weißer Drecksköter kommt laut bellend angeschossen und läuft zu mir in Richtung auf eine Maueröffnung. Ich ziehe instinktiv meine Gossamergear-Ultraleichtstöcke, um dem Mistköter eine drüberzubraten, sollte er angreifen. Es hat sich bei Cerdos Ibericos, bei manchen Toros und Hunden bewährt, daß man laut die Stecken aufeinanderschlägt, und das Viech schleicht sich. Ich praktiziere diesen alten Trick - mit dem einzigen Ergebnis, daß einer der Stöcke abbricht!! :-( Am liebsten hätte ich mit dem Rumpfstecken gleich den Drecksköter erschlagen. Jetzt kann ich schauen, ob Gossamer Gear mir 1 einzelnen Stecken nach Santago schickt :-( Mist, verreckter!
* Die größten Waldbrände sollen angelblich im Bezirk Pontevedra in Galicien sein. Da komm i nur marginal hin. Sollen von bandenmäßig organisierten Brandstiftern gelegt worden sein. Wissen die überhaupt, was sie ihrem armen Land antun?! 4 Menschen sind schon umgekommen. Touristen fliehen in Scharen.
* Bin in Puebla angekommen, nach fast 42 km! Jetzt tun die Füße doch gscheit weh, aber verdient. Städtchen ist ursüß, reinstes Mittelalter. Auf einem schönen Berg gelegen. Ist grad so ein Mittelaltermarkt, deshalb ist die ganze Stadt voller Touris. Schlafe in einem ehemaligen Schwesterninternat. Ab 23:00 ist die Pforte dicht. Ist mir wurscht, ich geh eh früh in die Kiste.
* Der lustige Javier ist auch hier! Hat sogar einen Freund aus Madrid dabei, der ab hier mithatscht. Historiker. Dem kann ich angeblich Löcher in den Bauch fragen zur span. Geschichte. Wird ein lustiger Walk morgen. Und angeblich auch der schönste der gesamten Via. Bin gespannt. Sind 30 km morgen, über den Pass von A Canda. Gute Nacht!
Chris
0 Comments:
Post a Comment
<< Home