Via De La Plata 2006

Tagebuch meines Jakobsweges auf der "Via de la Plata", dem 1000 km langen Pilgerweg von Sevilla nach Santiago. Dieses Jahr stand die 2. Hälfte an, von Grimaldo/Plasencia nach Santiago de Compostela, und noch 130 km weiter nach Finisterre und Muxia, zum "Ende der Welt" am Atlantik.

Friday, August 18, 2006

Camino-Tagebuch: Neunzehnter Tag - 18.8.2006


Etappe Xunqueira de Ambia - Ourense (23,4 km)

* Stehen heute spät auf, um 8, gehen um ca. 9 erst los, weil eine - aus unserer Sicht - Minietappe vor uns liegt. Ui, vergaß ich es zu erwähnen? Es regnet. Immer noch. Und es ist bös kalt. Na supi.

* Witziges Detail: Das Duschgel, das ich im Dörflein San Pedro gekauft hatte, war das einzige im Regal des einzigen örtlichen Ladens gewesen - und es hatte ein Preisschild in Peseten! Was sagt uns das über die Körperpflege der Einwohner von San Pedro seit der Euroumstellung im Jahr 2002? ;-)

* Losgegangen bin ich jetzt doch allein, wollte nicht auf den lustigen Javier warten, der gerade den Perfektionisten spielt und in der Weltgeschichte herumtelefoniert, um für sich und einige Freunde eine Herberge im Kloster Oseira zu organisieren. Dass er dabei nicht an mich gedacht hat (ich will unbedingt auch das Kloster sehen!), enttäuscht mich etwas. Auch, daß er schon seit Ewigkeiten nicht aus dem Quark kommt. Immerhin - die halbe Stunde, die ich der Warterei auf ihn verplempert hab, hatte einen entscheidenden Vorteil: Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen!! Wäre ich früher losgezogen, wäre ich mitten in den Platzregen marschiert und wäre jetzt schon tropfnaß! (Jakobswunder?) Ich bin nicht anfällig für Schadenfreude, aber alle anderen, die Bayerinnen und ein preußisches Paar sind bereits im Morgengrauen losgezogen und haben bis jetzt schon sicher ganze Feuchtbiotope in den Stiefeln. Ein belgisches Paar hat sich sehr lange den prasselnden Regen vom Eingang der Herberge aus angeschaut und dann entschieden, mit dem Bus nach Ourense zu fahren. Mit der (tatsächlich sehr legitimen) Begründung: "C'est pas un concours." - Ich pflichte ihnen bei, habe aber einfach viel mehr Ehrgeiz, was meine "Miles" angeht. Die werden sich jetzt genauso ärgern wie die deutschen. Ich schätze mal, daß der Regen in der Sekunde aufgehört hat, als sie sich im Bus auf ihren Platz gesetzt haben.

* Nachdem mir Juan zwischendurch wieder Hoffnung gemacht hatte, daß er ein Stück mitmarschieren kann, hat sich die Hoffnung soeben wieder zerschlagen. Dann bin ich eben bis zuletzt im Alleingang unterwegs, ja mei. Ein weiterer Freund hat mir gestern ebenfalls abgesagt, aus anderen Gründen.

* Gute Freunde sind das wichtigste im Leben. Das wird mir immer klarer. Hier das passende Dire Straits-Zitat: "What dou you got - at the end of the day? What do you got - to take away?..." (Aus dem schönen Lied "Private Investigations")

* Ich bin ca. 10 km vor Ourense. Ist vielleicht mein 2. Härtester Tag heut wg. Fußschmerzen. Immer noch Trench Foot, fühlt sich genauso an wie Sonnenbrand an den Fußsohlen. :-( - Regnen tut's auch immer wieder :-( jetzt heißt's hart bleiben & durchhalten! Hatsche schon seit drei Wochen durch. Irgendwann mußte der "Point Break" für die Füße kommen.

* Hab's endlich geschafft. War wirklich eine abtörnende Etappe heute. Wetter voll grauslig, endlose Industrieviertel, viel Bundesstraße, Fußschmerzen Ende-nie. Jetzt lieg ich endlich wohlverdient im Bett eines Hotelzimmers. Noch trau ich mich nicht, meine Füße auszupacken, die schweinisch weh tun. Hab Voltarencreme gekauft, hoffe, das Zeug haut rein. Werd mich wohl jetzt frischmachen, ein-zwei Stunden aufs Ohr hauen & dann schauen, ob ich in dieser riesigen Stadt ausnahmsweise etwas Unspanisches zu Essen kriege. Anything will do. Eine englisch- oder deutschsprachige Zeitung noch, eine Waschmaschine für meine Klamotten, und ich würde wieder auf der sprichwörtlichen Glücks-Supp'm schwimmen. Es ist schon eine unendliche Wohltat, gerade keine lauten, stinkenden, scnarchenden Pilger neben mir im Stockbett zu haben.

* Es sieht so aus, als würde Little Pilgrim's Extasy soeben Wirklichkeit: Ich hab nicht nur eine Reinigung gefunden, die meinen gesammelten Wäsche-Schamott bis heute abend auf Vordermann bringt, sondern auch eine Bar in der Nähe, wo die Bedienungen nett sind, und wo man Hamburguesas bekommt, zusammen mit einem frisch gezapften Estrella mit einer Temperatur, die in Brasilien als "supergelado" bezeichnet wird -» Eisflocken! :-) Sobald die Verpflegungsphase abgeschlossen wird, konzentriere ich mich auf die beiden Main Sights der Stadt, die Kathedrale und das Franziskanerkloster. Vielleicht erbeute ich unterwegs ja noch eine internationale Zeitung, dann ist der Tag vollsafe!

* Hab tatsächlich alles geschafft: Klamotten-Reinigung, Hamburger auf Vorrat gemampft, Financial Times gekauft (die einzige englischsprachige Zeitung in der ganzen Stadt!), Dom gesehen und beim Franziskanerkloster vorbeigeschaut. Dort die Bayerinnen getroffen, vertieft ins Kartenspiel. Und sogar die beidern Javieres getroffen, mit ihren Madrider Freunden. Wollte mich nicht aufdrängen und hab mich nach dem üblichen Hallo unauffällig empfohlen.

* Sogar Churros hab ich für morgen früh klargemacht - gibt's im Café im Hotel. Yesss!

* Morgen entweder 22 km oder 31 km, wenn ich's bis zum Kloster Oseira schaff. Mal sehen. Entgegen meinen bisherigen Klostererfahrungen sind dort angeblich Pilger nicht wahnsinnig willkommen. Schau ma mal.

Gute Nacht!

Chris

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